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Hessenglas GmbH

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Farbtaflen der Hessenglaswerke
Farbtafeln





Wie kam das
Böhmische Glas
in den Taunus?





Historie der Hessenglas GmbH


Stammhaus der Hessenglaswerke in Oberursel-Stierstadt
Stammhaus in Stierstadt


Aufbau der Hessenglashütte: Dir. Otto Fischer und Ing. Anton Ritschny (2.+3. v.links)
Dir. Otto Fischer u. Ing. Anton Ritschny (2.+3. v. links) auf der Baustelle 1946


Neuaufbau der Glashütte Hessenglas 1946
Neuaufbau 1946



Erste Belegschaft 1947
Erste Belegschaft 1947


Luftaufnahme der Hessenglaswerke
Luftaufnahme der Hessenglaswerke






Glashütte Hessenglas in Oberursel-Stierstadt 1983
Glashütte in
Oberursel-Stierstadt 1983




Einsetzen der Häfen
Einsetzen der Häfen


Hohlglasmacher der Hessenglas GmbH
Hohlglasmacher
der Hessenglas GmbH




Stangenzieher der Glashütte Hessenglas in Oberursel-Stierstadt
Stangenglaszieher




Stangenglaszwocker der Hessenglas GmbH
Zur Stangenglaserzeugung




Werksgelände Hessenglas
Glashütte Hessenglas






Lageplan
ehem. Lageplan






Vertreibung und Neubeginn

Der Anfang der Stierstädter Glashütte, eine ausgesprochene Vertriebenengründung, geht in das Jahr 1946 zurück, wo einige Heimatvertriebene aus dem Oberen Kamnitztal (Bezirk Gablonz) im Sudetenland unmittelbar nach der Vertreibung den Entschluss fassten, eine Glashütte zu bauen und um diese herum die heimatvertriebenen Veredelungsbetriebe der Gablonzer Industrie anzusiedeln.


Unter den Gablonzern der ersten Stunde befanden sich die aus Unter-Maxdorf und Josefsthal stammenden Glasproduzenten und -veredler Josef Mitlehner, die Gebrüder Kamill und Franz Schander, Alfons Babel und Walter Ullmann sowie deren Familien, welche über Umwege mit Transporten im März 1946 zunächst im nordhessischen Lauterbach strandeten. Die betroffenen Familien waren völlig mittellos; was ihnen blieb, war das Fachwissen und die über Generationen hinweg angedienten Fertigkeiten der Glasherstellung und -veredelung.  Sie einte der gemeinsame Wille in den angestammten Berufen tätig zu werden. Doch schon bald mussten sie feststellen, dass die Ansiedlungsregion in Nordhessen keine geeignete Logistik für den Aufbau einer Glasindustrie bot. Insbesondere die kurzfristige Versorgung mit dem Rohstoff Glas schien hier nicht ausreichend zeitnah möglich zu sein. Im Hessischen Wirtschaftsministerium trafen sie auf den aus Troppau (Sudetenschlesien) stammenden Ing. Anton Ritschny, der ebenfalls in Hessen auf der Suche nach einem geeigneten Standort zur Glaserzeugung war.

In den Stierstädter Ruinen der ehemaligen Frankfurter Bronzefarben- und Aluminiumpulver Werke A.G. (Degussa-Gruppe), deren Betrieb in Stierstadt nach einer verheerenden Explosion im Jahre 1942 nicht mehr aufgenommen wurde, entdeckten Ing. Anton Ritschny, Josef Mitlehner und Kamill Schander eine geeignete Liegenschaft zum Aufbau einer Glashütte. Als vorteilhaft für die Standortentscheidung erwies sich die bereits vorhandene Ruhrgas-Pipeline auf dem Gelände, die sehr gute zentrale Verkehrsanbindung sowie die große Aufgeschlossenheit der Herren Bürgermeister Fritz (Stierstadt) und Kappus (Oberursel) gegenüber der Neuansiedlung der Vertriebenen und deren neuartigen Industriezweigen.

Jedoch erst durch die Gewinnung des zunächst in Warnemünde gestrandeten Otto Fischer, der ehemalige technische Leiter der drei zu den bedeutendsten zählenden Gablonzer Glashütten (ehemals "Carl Riedel") in Josefsthal und Unter-Maxdorf für das gemeinsame Projekt, war das ausreichende Know-How zur Rohglasherstellung und die notwendige Unterstützung der Ministerien in Wiesbaden vorhanden. Anfang Oktober 1946 sicherte das Wirtschaftsministerium den Gablonzern die Unterstützung des Landes Hessen zu. Herr Fischer siedelte mit seiner Familie und einigen Glasmachern aus der sowjetischen Besatzungszone nach Oberursel über. Bald darauf kamen Gablonzer direkt aus der Heimat erstmals mit Bahntransporten vom Lager in Reichenau über Backnang in Nordwürttemberg unmittelbar in die Auffanglager nach Dornholzhausen und Weiskirchen.

Unmittelbar nach der Standortfreigabe im November 1946 wurde aus eigener Kraft mit den Aufräumarbeiten auf dem weitgehend zerstörten Betriebsgelände im Zimmersmühlenweg (ehem. "Neumühle") begonnen. Ende November 1947 wurde der erste Ofen angetempert. Der Betrieb der Glashütte selbst wurde Mitte Februar 1948 aufgenommen. Den Aufzeichnungen von Herrn Direktor Fischer ist zu entnehmen, dass die ersten Glasschmelzen qualitativ noch nicht so gut waren, weil zu Anfang kein guter Sand zur Verfügung stand, was sich im Farbton des Glases zeigte. Durch Einsatz des unweit in der Nähe von Usingen geförderten Quarzsandes (Bremthaler Quarzitwerke) konnte bereits ab Mai 1948 sowohl Bleikristall als auch Kristallglas in Bezug auf Farbe, Glanz und Reinheit in einer besonders hohen Güte hergestellt werden.

Der erste funktionstüchtige Ofen war ein 6-Hafen-Ofen, welcher schon bald um einen 4-Satzel-Ofen und anschließend um einen 8-Hafen-Rundofen erweitert wurde. Die maximale Kapazität erreichte die Glashütte Mitte der 60er Jahre mit 20 Häfen und einem täglichen Ausstoß von ungefähr 6.000 kg an handgefertigtem Glas.


Erfolgreiche Riedelsche Glastradition

Durch Herrn Fischer und die aus dem oberen Kamnitztal angesiedelten Glasmacher, welche vor der Vertreibung im Wesentlichen bei den Unternehmen "Carl Riedel" und teilweise "Josef Riedel" (Antoniwald und Polaun) beschäftigt waren, stand die Glashütte in der Tradition der Glasmeisterdynastie Riedel. Zudem stellte Arno Riedel (1897-1964), ehemals Mitinhaber der Firma Josef Riedel, seit der Freilassung aus tschechischer Gefangenschaft im Jahre 1950 vorübergehend seine Kenntnisse der Glashütte in Stierstadt zur Verfügung.

Das Erzeugungsprogramm umfasste vor allem Stangenglas für die Gablonzer Schmuckwarenindustrie in Kaufbeuren-Neugablonz, Bayreuth, Schwäbisch-Gmünd und Trappenkamp sowie Hohlglas für zahlreiche veredelnde Betriebe im In- und Ausland. Das Stangenglas wurde meist in kombinierten Farben für die Schmuckindustrie gefertigt. Zu den besonders herausragenden Gläsern gehörten die aus seltenen Erden geschmolzenen Gläser wie Alexandrit, Heliolit und Royalit sowie das seltene Regenbogenglas, Jadeglas und ein Millefioriglas, welches eigens nach Scherben-Vorlagen für das Deutsche Museum in München gefertigt wurde. Anfang der 60er Jahre wurde eine eigene Glasschleiferei an den Betrieb angegliedert; die Mitarbeiterzahl stieg auf bis zu 346 Beschäftigte.

Namhafte Kunden waren neben den umliegenden Glasraffinerien Kristallglas GmbH (Burkert und Seibt) in Oberursel, Josef Mitlehner & Co. in Kronberg, Pochmann in Bad Homburg, ABC-Glas und Crystal Schander Comp. in Oberhöchstadt, Neubert in Wiesbaden sowie Wittig, Melzer, Fabich und Hentschel & Kunte in Hadamar die Firmen Rosenthal, Hutschenreuther, WMF, Palme & Walter, Christoph Palme, Berg, Knittel, Wittwer, Kaspar, Bruno Posselt, Bruno Hackel, Conrad & Liebsch u.a.

Für das Design der hauseigenen Hüttenprodukte waren im Wesentlichen zunächst die Herren Hans Hora und Walter Krause verantwortlich. Besonders hervorzuheben sind auch die in den Jahren 1954 bis 1962 nach Entwürfen des Glaskünstlers Aloys F. Gangkofner hergestellten Hohlglaswaren.

Bereits im Jahr 1959 wurde Direktor Otto Fischer das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Mit dieser Auszeichnung würdigte Bundespräsident Theodor Heuss die großen Verdienste um die Glashütte.

Im gleichen Jahr schied Ing. Anton Ritschny aus der Hessenglas GmbH aus und erbaute in unmittelbarer Nachbarschaft eine eigene Glashütte, die bis Anfang der 70er Jahre im Wesentlichen Glaskolben zur Herstellung von Isoliergefäßen der Firmen Taunusglas Möller GmbH und Westdeutsche Isolierflaschen Gebrüder Zimmermann (GEZI) in Oberursel produzierte.

Mit Ausscheiden des kaufmännischen Geschäftsführers Rudolf Seibt im Jahr 1970 wurde der Betrieb der hauseigenen Glasschleiferei vollständig eingestellt. Zeitgleich zog die Kristallglas GmbH  auf das Firmengelände der Hessenglas GmbH am Zimmersmühlenweg um und firmierte fortan unter Kristallglas Oberursel GmbH & Co. KG.

Als Herr Fischer 1979 mit 90 Jahren verstarb, übernahm sein Schwiegersohn, Herr Günter Dönch die Leitung der Glashütte.


Anfang der 80er Jahre übernahm der mit der Herstellung graphischer Geräte in Birstein-Obersotzbach (Vogelsberg) erfolgreiche Unternehmer Siegfried Theimer die Mehrheit an der Hessenglas GmbH. Mit Wirkung vom 1. April 1982 wurde die Hessenglas GmbH mit seinerzeit noch 85 Beschäftigten mit der Kristallglas mit zu dieser Zeit noch 25 Mitarbeitern, in welche sich Siegfried Theimer bereits zu Beginn der 70er Jahre ebenfalls eingekauft hatte, in den neuen Produktionsbetrieb Kristallglas Oberursel GmbH & Co. KG (später Cristallglas bzw. Cristallerie Oberursel GmbH) überführt. Die von Franz Burkert (1904-1968) stammenden Entwürfe für die Kristallglas wurden mit den Musterbüchern von Hessenglas zusammengeführt. Die Herstellung von Stangenglas wurde Mitte der 80er Jahre aufgegeben. Ende der 80er Jahre produzierte die Hütte zuletzt nur noch geschliffene Gefäße, vor allem Parfümflakons, Vasen und Pokale. Anfang 1990 kam es zur Abwicklung des Unternehmens und zum Verkauf des Firmengeländes an den Frankfurter Baukonzern "Hochtief". Bis Mitte 1991 wurden die Werksanlagen der ehemaligen Glashütte abgebrochen. Von den sechs geplanten Gebäuden des "Büroparks Neumühle" wurden lediglich zwei errichtet. In Oberursel erinnern an die Heimatvertriebenen aus dem Kreis Gablonz heute nur die Straßennamen Gablonzer Straße und Sudetenstraße sowie das von den Eheleuten Gisela und Anton Ritschny gestiftete und 1981 vor dem Hauptfriedhof  enthüllte Vertriebenen-Denkmal des Oberurseler Künstlers Georg Hieronymi. Hinweise auf die namhafte Oberurseler Glasindustrie finden sich in Oberursel heute nicht mehr.
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Zur Darstellung der Hessenglaswerke auf der Internetseite des Vereins für Geschichts- und Heimatkunde Oberursel (Taunus) e.V. und dem kostenlosen Download (-PDF) des Sonderdrucks "Hessenglaswerke in Oberursel" von Herrn Dr. Samulowitz
gelangen Sie hier.


Quellen:
Auskünfte und Niederschriften von Frau Christa Dönch, Oberursel
(Tochter von Herrn Otto Fischer)

Auskünfte von Herrn Kurt Sternkopf, Oberursel
Leiter Rechnungswesen und Prokurist der Hessenglas GmbH
(beschäftigt 1954-1980)

Auskünfte von Herrn Dipl. Ing. Gerd Schander, Oberhöchstadt
ehem. geschäftsführender Gesellschafter der ABC-Glas
(Sohn von Franz Schander)

Auskünfte und Niederschriften von Erika Rapp, Waldsolms
ehem. geschäftsführende Gesellschafterin der Kristallglas GmbH
(Tochter von Franz Burkert)

Zenkner, Karl: "Die Alten Glashütten des Isergebirges", Nr. 19 der Gablonzer Bücher, Leutelt Gesellschaft 1968

Heerdegen, Manfred und Holey, Walter: "Isergebirgler und ihre Glas- und Schmuckindustrie in Holstein, Baden und im Taunus", Nr. 79 der Gablonzer Bücher, Leutelt Gesellschaft 2007

erhältlich über die

Leutelt-Gesellschaft e. V.
Sudetenstr. 57
87600 Kaufbeuren-Neugablonz


Aufbau der Hessenglashütte aus den Ruinen der ehemaligen Frankfurter Bronzefarben- und Aluminiumpulver Werke A.G.
Neuaufbau aus den Ruinen
der ehem. Frankfurter Bronze-
farben und Aluminiumpulver
Werke A.G.



Bauarbeiten an der Glashütte Hessenglas 1946
Bauarbeiten 1946


Richtfest der Glashütte Hessenglas in Stierstadt 1946
Richtfest 1946



Belegschaft 1948
Belegschaft 1948
der Hessenglas GmbH









Günter Dönch und Otto Fischer, Quelle: Fam. Dönch
Günter Dönch
und Dir. Otto Fischer





Hohlglasmacher der Hessenglas GmbH
Hohlglasmacher
der Hessenglas GmbH



Hohlglasmacher der Hessenglas GmbH
Kelchglasmacher
der Hessenglas GmbH




Bundesverdientskreuzverleihung an Dir. Otto Fischer
Bundesverdienstkreuzverleihung
Dir. Otto Fischer






Lageplan Hessenglas
ehem. Lageplan Hessenglas



Räumung des Werksgeländes
Räumung des Werksgeländes
Quelle: AObuGV



Stand: 1. Okt. 2013, OR