Gründung und
Aufbau im Oberen Kamnitztal
Wilhelm
Mitlehner, geboren am 12. Oktober 1858 in Dessendorf bei Gablonz/Neiße,
gründete 1879 in Unter-Maxdorf ein eigenes Geschäft. Seine Heirat mit
Wilhelmine Görner, der Tochter des Glashändlers und Glaswarenerzeugers
Johann Görner aus Antoniwald soll ihn hierzu bewogen haben. Die
Erzeugung betraf damals vorwiegend Gablonzer Schmuckwaren, insbesondere
echt vergoldete Hohlperlen. Diese innenvergoldeten Perlen wurden nach
einem besonderen Verfahren hergestellt und vor allem nach Indien
exportiert, wo sich die Frauen mit langen Ketten aus diesen Perlen
schmückten.
Nach dem ersten Weltkrieg
übernahm der Sohn Josef Mitlehner, geboren am 19. März
1894 in Unter-Maxdorf, das Unternehmen seines Vaters und stellte es auf
die Erzeugung geschliffener Kristallwaren um. Am 22. März 1921 wurde
ihm die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung einer
fabrikmäßigen
Glasschleiferei mit Elektromotoren in Unter-Maxdorf Nr. 220 erteilt.
Bislang wurden die Schleifmühlen ausschließlich an fließenden Gewässern
angelegt, um die Wasserkraft als Antrieb zu nutzen. Gar häufig mußten
die Schleifer im Winter erst das Eis brechen und abschlagen, um ihre
Mühlräder wieder in Gang zu sezten. Geschliffen wurde an hölzernen
Radstühlen mit Spillen, die sich in Bleilagern drehten.
Josef Mitlehner
und seine Frau Leopoldine, geb. Kienel, die ihren Mann
beim Ausbau den Unternehmens tatkräftig unterstützte, verlegten sich
vorwiegend auf den Export nach England und Australien. Seine
zahlreichen Muster an Streuern, Menagen, Buttertellern, Parfümflaschen,
Toilettengarnituren und anderen Artikeln der böhmischen Kristallerie
sicherten ihm reichlich Aufträge. Trotz damaliger wirtschaftlicher
Krise konnte das Unternehmen wachsen. Ein fester Stand in der
Mädler-Passage auf der Leipziger Messe sowie ein ständiges Musterzimmer
in London mit einem Reisenden in England halfen den Absatz der
qualitativ hochwertigen Ware sichern und den Ruf im Ausland begründen.
Enteignung, Vertreibung
und Neuanfang
Die Familien von Wilhelm und
Josef Mitlehner wurden nach dem zweiten
Weltkrieg verhaftet und zunächst im Gefängnis von Gablonz/Neiße und
später im Lager Reichenau festgesetzt. Im März 1946 strandete Josef
Mitlehner mit seiner Familie nach einem direkten
Bahntransport von Reichenau nach Nordhessen zunächst in Lauterbach.
Trotz der erschwerten Bedingungen beschloss Josef Mitlehner erneut ein
Unternehmen der Gablonzer Industrie aufzubauen. Zusammen mit den
ebenfalls in Nordhessen angekommenen befreundeten Brüdern Kamill und
Franz Schander aus Antoniwald, seinem Schwiegersohn Otto Kausch und dem
aus Troppau stammenden Ing. Anton Ritschny suchte Josef Mitlehner
unmittelbar nach einer logistisch geeigneteren Ansiedlungsregion.
So wurde Josef Mitlehner einer
der zehn Gründungsgesellschafter der Hessenglaswerke
in Stierstadt im Taunus (seit 1972 Stadtteil von Oberursel/Ts.).
Nachdem als wichtige Voraussetzung der Bau
einer Rohglashütte in einer weitgehend zerstörten Fabrikanlage am
Neumühlengelände sichergestellt schien, gründeten Josef Mitlehner und
Otto Kausch, geb. 16. Juni 1916 im unweit gelegenen Kronberg die Firma
Joesef Mitlehner & Co. und bewältigten gemeinsam das zu dieser Zeit
schwierige Problem des Wiederaufbaues einer Kristallwarenfabrik. Ebenso
große Schwierigkeiten bereiteten nach Schilderungen von Otto Kausch die
Unterbringung der Mitarbeiter, der Fachkräfte, die aus dem ganzen
Bundesgebiet und aus dem sowjetisch besetzten Teil Deutschlands nach
Kronberg geholt werden mussten. Dank der verständnisvollen Hilfe der
Stadt und des Landes gelang auch dieses Vorhaben und nach einigen
Jahren konnten die ersten Mitarbeiter aus den ersten behelfsmäßigen
Unterkünften in neue Wohnungen umziehen. Zunächst galt es, durch den
Bau neuer Formen und Werkzeuge wieder ein zeitgemäßes Sortiment zu
entwickeln, um damit einen neuen Kundenstamm und neue Märkte im Export
zu gewinnen, denn die alten Beziehungen waren durch den Krieg und seine
bitteren Folgen abgerissen.
Aufschwung der 50er und
60er Jahre
Nachdem sich der Export zunehmend
entwickelte und das Sortiment
verstärkt ausgebaut wurde, wuchs das Unternehmen wieder zu einem
namhaften Unternehmen seiner Branche. Die Produktlinien wurden von den
beiden Firmeninhabern selbst kreiert. Besonders hervorzuheben sind
erfolgreiche Produkte handgeschliffenen böhmischen Glases,
(insbesondere
Toiletten-Garnituren und Ascher) sowie die mit Teakholz kombinierten
Tischkristallserien, die dem Stilempfinden jener Jahre entsprachen.
Durch
die Spezialisierung auf repräsentative Veredelung von Hohlglas
in Verbindung mit Montagen aus Sterling-Silber und Bronze und
24-karätig vergoldeten Montierungen erlangte das Unternehmen einen
besonderen Ruf. Nach Unternehmensangaben zählten u. a. der König von
Marokko, der für die Einrichtung eines Schlosses zahlreiche Stücke als
Acessoires auswählte, sowie König Feisal von Saudi Arabien, der Schah
von Persien und Königin Elisabeth II. von England zu den zahlreichen
renommierten Kunden.
Unternehmen im Umbruch
Als im Jahre 1965 Josef und
Leopoldine Mitlehner infolge eines
Autounfalls verstarben, übernahm Otto Kausch die alleinige
Geschäftsführung des fortan unter Mitlehner & Co. KG firmierenden
Unternehmens. Als Gesellschafterin trat seine Ehefrau
Wilma, Tochter von Josef und Leopoldine Mitlehner, in die Firma ein.
Bereits Ende der 60er
Jahre erschwerten die deutlich gestiegenen Löhne in Westdeutschland und
nachgeahmte Produkte insbesondere aus Japan die Wettbewerbssituation
der personalintensiven Herstellung der im Wesentlichen von Hand
hergestellten Produkte. Zwar wurden zunehmend moderne Maschinen und
vorwiegend Diamantschleifräder und -werkzeuge zur Bearbeitung des
Glases eingesetzt, doch die Handarbeit wurde nach wie vor voll
praktiziert, da sich die Automatenarbeit für hochwertige
Geschenkartikel und begrenzte Serien als ungeeignet herausstellte.
Nach Abschluss seiner Studien zum
Glashüttentechniker und
Diplom-Kaufmann trat am 1. Januar 1977 Joachim C. Kausch, geboren am
28. Januar 1949, Sohn von Otto und Wilma Kausch, als Verkaufsleiter in
die Firma ein.
Ende der
siebziger Jahre produziert das Unternehmen vornehmlich drei
verschiedene Produktlinien
"Böhmisches Glas", "Stilkristall" und
"Exquisite Linie". Im Februar 1979 feierte das Familienunternehmen das
100jährige Bestehen. 1988 stellte der
Betrieb seine Produktion endgültig ein. Hinweise auf die
Heimatvertriebenen und ihre langjährige erfolgreiche Glasveredelung
finden sich in Kronberg heute nicht mehr.
|
Wilhelm u.
Wilhelmine Mitlehner
Anwesen der
Firma Wilhelm Mitlehner in
Unter-Maxdorf; im
Hintergrund Glashütte
"Carl Riedel" und
Kirche in Josefsthal
Mitglieder
der Arbeitsgemeinschaft
Oberursel der
Gablonzer Industrie, v. l.n.r.: Otto
Kausch, ?,
Adolf Pochmann, Josef Mitlehner, Franz Burkert,
Willi Zenkner (zum
Vergrößern bitte Bild anklicken)
Quelle: Erika Rapp

Luftaufnahme des
Unternehmens
Josef Mitlehner &
Co. in Kronberg, Westerbachstrasse

Teilansicht der Schleiferei in Kronberg
|